08.02.2022 | Klassiker

Ford Capri I

„Außergewöhnliches Fahrzeug
für einen gewöhnlichen Markt“

Im Verlauf von gut 50 Jahren ist es dem Capri gelungen, ohne Verlust von Anmut und Spannkraft vom Alltagssportler für jederman zum begehrten Klassiker zu reifen. Wie er das geschafft hat? Womöglich ist da eine Art Magie im Spiel, die entsteht, wenn Schlichtheit, Nahbarkeit und Schönheit einem Objekt Seele und Charakter verleihen. Mit seinen betörenden Formen weckte dieser Wagen Begehrlichkeit und Träume, die sich auch nach dem Aufwachen noch erfüllen ließen. Kult? War er wohl. Da muss man nur die fragen, die mal einen hatten oder jemanden kennen, der einen hatte. Ein Meilenstein? Für Ford auf jeden Fall. Wer konnte schon bürgerliche Integrität derart sozialverträglich mit einem Schuss Revoluzzertum nachwürzen?

„Ein außergewöhnliches Fahrzeug für einen gewöhnlichen Markt“ lautete die Überschrift einer Pressemitteilung, mit der die Medien auf die erste Capri-Generation eingestimmt wurden. Form,Größe und Fahrleistungen dieses Wagens vereinigen sich zu einem neuartigen Begriff der Sportlichkeit. Denn der Capri ist weder ein Kompromiss zwischen Sportwagen und Familienwagen, noch ist er eine abgewandelte Limousine. Er ist, vereinfacht ausgedrückt, ein mittelgroßes Fastback-Coupé von äußerst ansprechender, sportlicher Form. Dabei ist er, gemessen an Sportwagen-Standards, überaus geräumig. Er bietet Platz für vier Personen und ihr Gepäck – und hat dennoch viele der Eigenschaften, die einen echten Sportwagen auszeichnen. Bis auf den Preis.

Schon wieder ein neues Modell, hieß es weiter, wen soll dieser Wagen ansprechen, welche Marktlücke soll er schließen und welchen Konkurrenten soll er Paroli bieten? So mögen Konsumenten, Experten der Automobilpresse und Marktbeobachter fragen. Nun, natürlich ist der Capri ein neues Modell. Aber er löst kein anderes ab. Dieser Wagen ist einfach neuartig – konzipiert, um eine breitere Käuferschicht aus allen Einkommensklassen zu erfassen, die sowohl Wert auf Komfort als auch auf Sportlichkeit legt. Und schließlich soll er auch keinem Konkurrenten Paroli bieten – der Capri ist konkurrenzlos …

Und wer hat´s „erfunden“, dieses deutsche
Automobil-Kulturgut? Es war der US-Designer
Philip T. Clark, Schöpfer des „Pony Cars“ Ford Mustang!

Die straffen, zügig fließenden Formen des Capri, seine Flächen und Konturen waren nicht etwa das Werk deutscher Kreativkunst. Verantwortlich für dieses Erzeugnis deutscher Automobilkultur war vielmehr der amerikanische Designer Philip T. Clark, Schöpfer des legendären US-„Pony Cars“ Ford Mustang. Dass eben dieser die "Idee Capri" mit Inspiration versorgt hatte, war dem europäischen Vetter deutlich anzusehen.

Nach eingehenden Marktforschungen rechneten die Modellplaner bei Ford mit einem deutlich überwiegenden Anteil junger Käufer, Altersspanne etwa 18 bis 29 Jahre. Und wie Marketingleute nun mal sind, vergaßen sie nicht, reifere Jahrgänge ebenfalls ins Boot respektive Sportcoupé zu holen. Ist ein 35-, 45- oder 55-jähriger Fahrer für den Ford Capri zu alt? Keineswegs! Auch oder vielleicht gerade vermittelt der Capri dem, sagen wir, "gesetzteren Fahrer" eine sehr persönliche Freude am Fahren. Der gereifte Autofahrer kauft heute einen Wagen, der schick, patent und sportlich – eben im Stil der Zeit – sein muss. Der Capri erfüllt diese Anforderungen gewissenhaft. Und weil die Älteren meist doch mehr von der Vernunft gelenkt werden als von Adrenalinsalven, wurden Familienkompetenz und Nutzwert ebenfalls gebührend herausgestellt. Er tut noch ein Übriges: Er ist, bei aller Sportlichkeit, auch reisetüchtig. Vier Plätze, ein großer Kofferraum und eine komfortable Ausstattung zeugen davon. So ein Capri war eben für alle da.

Versinkende Sonne statt rauchender Colts:
Wie der Ford Capri zu seinem Namen kam

Im Januar 1969 waren genügend Worte gedruckt und gewechselt, der flotte Kölner mit ausreichenden Mengen Vorschusslorbeeren bedacht worden. Der Ford Capri trat in den Ernst des Lebens ein. Seine internationale Publikumspremiere gab er auf dem Brüsseler Automobilsalon und wurde noch im gleichen Monat in der Bonner Beethovenhalle vorstellig, um auch die deutschen Pressevertreter zu betören. Im Februar schließlich betrat er die Arena, in der Erfolge gefeiert und Niederlagen erlitten werden: die Showrooms der Händler, den Markt. Ursprünglich hätte er übrigens Colt heißen sollen. Aber wie sich bei der Namensfindung herausstellte, führte bereits ein fernöstlicher Autobauer diese Bezeichnung in seinem Modellportfolio. Aber mal ehrlich: Passt eine rote Sonne, die in würdevollem Pathos dem Meer entgegensinkt, nicht  besser zur Eleganz dieses Wagens als eine rauchende Handfeuerwaffe?

Capri 1300,  1500, 1700 GT, 2000, 2300 GT: Insgesamt fünf Modellvarianten standen standen zur Markteinführung zur Wahl, bis 1,7 Liter Hubraum in V4-, darüber in V6-Zylinderformation. Kenner identifizierten die Sechszylindermodelle am „Power-Buckel“, einer muskulösen Auswölbung in der Motorhaube. Das Leistungsspektrum reichte von eher defensiven 50 bis zu 108 PS, für damalige Verhältnisse eine durchaus respektable Ansage. Je nach Ausführung ließ sich der Capri damit in verträumten 22,7 (1300) bis sportlichen 10,8 Sekunden (2300 GT) auf 100 km/h beschleunigen, die maximale Reisegeschwindigkeit lag zwischen 133 und 178 km/h – Werte, die heute jeder gut aufgelegte Fiesta schelmisch weglächelt. Dem Capri jedenfalls verschafften sie damals Respekt und Aufmerksamkeit, ebenso wie der Preis: 6.995 Deutsche Mark wurden für das 1,3-Liter-Basismodell aufgerufen, eine glatte Preis-Leistungs-Sensation!

Im Herbst 1969 rückte eine „Hochleistungsversion“ namens 2300 GT zum Oberhaupt der Modellfamilie auf, die mit scharfer Nockenwelle, Doppelrohrauspuff und Modifikationen an Zündung und Vergaser 125 PS auftischte. Für damalige Begriffe ein verdammt flotter Feger, der im prestigeträchtigen Nullhundert-Sprint  9,8 Sekunden erreichte und ein maximales Marschtempo von 190 km/h vorlegte.

Für Ford stellten Sportlichkeit und
automatisches Schalten schon damals
keinen Widerspruch dar

Sportliche Ansprüche und automatisches Schalten stellten für Ford schon damals keine Grenzverletzung zwischen Macholand und Warmduscher-Territorium dar. Und so offerierte man als Alternative zum standardmäßigen Viergang-Handschalter für alle Modellversionen (mit Ausnahme des 1300ers) ein automatisches Dreistufengetriebe. Auch mit der Idee des Plattformkonzepts hantierten die findigen Entwickler bereits zu einer Zeit, in der dieser Begriff eher mit maritimer Ölförderung in Verbindung gebracht wurde. Die Fahrwerkstechnik samt McPherson-Federbein-Vorderachse und starrer Hinterachse an Halbelliptik-Längsblattfedern hatten sie nämlich fast unverändert von Capris bravem Bruder, dem Ford Taunus, übernommen.

Zudem gab sich der Capri schon damals, obschon ein „Spätsechziger“, als Europäer moderneren Zuschnitts. Gebaut wurde er nämlich nicht nur im Kölner Ford-Stammwerk Niehl, wo man 86 Millionen DM für neue Produktionsanlagen lockergemacht hatte, sondern auch im englischen Halewood, wo ihm Motoren aus dem britischen  Ford-Programm eingepflanzt wurden. Somit war der smarte Sportler, wie Ford kundtat, kein nationaler Wagen mit zusätzlichen Exporten, sondern ein kontinentaler Wagen unter Ausschöpfung aller nationalenVorteile in Herstellung und Vertrieb.

1973 wurde zum erfolgreichsten Jahr der
gesamten Capri-Historie, denn im August
hieß es: „Willkommen im Klub der Millionäre“

Dieser kontinentale Wagen mit den Kölschen Wurzeln erstürmte in kürzester Zeit die Herzen seiner Zielgruppe, und schon zur Frankfurter IAA 1969 konnte Ford vermelden: Inzwischen sind in Köln rund 75.000 Capris gebaut worden. Und obwohl die Produktion dieses Modells seit Januar ständig erhöht wurde, gelang es nicht, mit der ungewöhnlich lebhaften Nachfrage Schritt zu halten. Und das sollte so bleiben. Denn bis zum Ende ihrer fünfjährigen Laufzeit sorgte Generation I nicht nur für Fahrvergnügen, sie schuf auch imposantes Zahlenwerk. Insgesamt 784.000 Einheiten waren von 1969 bis einschließlich 1973 in Deutschland gebaut worden, von denen 244.000 auf dem Heimatmarkt einen Abnehmer fanden. 1973, das letzte Jahr im Modellzyklus, wurde sogar zum erfolgreichsten der Capri-Historie überhaupt. Denn schon im August hieß es : „Willkommen im Klub der Millionäre“ – das 1.000.000ste Exemplar war vom Band gerollt.

Bis dahin waren noch diverse Modifikationen und Modellpflegemaßnahmen in die Serie eingeflossen. So wurde beim Capri-Jahrgang 1971 die 125 PS starke V6-Variante 2300 GT durch die leistungsgleiche Ausführung 2600 GT ersetzt. Fürs finale Modelljahr 1973 gab es als Absatz-Appetitmacher noch ein umfassendes Facelift mit neuen Rechteck- und Doppelscheinwerfern, großflächigen Rückleuchten, Änderungen bei der Innenausstattung und überarbeiteter Fahrwerksabstimmung. Auch durch das Motorenprogramm war noch einmal frischer Wind geweht. Die V4-Motoren wurden von 1,3- und 1,6-Liter-Reihenvierzylindern mit 55 und 72 PS beziehungsweise 88 PS aus dem Taunus-Programm abgelöst, während der 140 PS starke 3,0-Liter-V6, der sich bereits im Granada und Consul GT bewährt hatte, nun auch für die deutschen Capri-Modelle verfügbar war.

DER Capri schlechthin: Für Enthusiasten
und Motorsportfans war und ist
das der 1970 vorgestellte 2600 RS

Der Capri "Mk I" schlechthin aus der Sicht vieler Enthusiasten, Fans und Motorsportfreunde ist bis heute der 1970 vorgestellte 2600 RS, das bis dato sportlichste Modell der Marke überhaupt. Für vergleichsweise schlanke 15.800 DM erhielten ambitionierte Kurvenkratzer und Querkraftathleten ein Fahrzeug mit Kugelfischer-Einspritzung, tiefergesetztem Sportfahrwerk und 150 munteren Pferdchen unter der mattgeschwärzten Motorhaube, dessen markantes Doppelscheinwerfer-Gesicht schon bald im Rückspiegel und auf Augenhöhe mit der erfolgsverwöhnten Porsche-Phalanx auftauchen sollte. Die Homologationsauflage von tausend Einheiten, kräftig nachgeschärft mit Leichtbauzutaten wie Magnesiumfelgen, Plexiglasscheiben und Kunststofftüren, legte nämlich den Grundstein für eine außergewöhnliche Rennkarriere.

So beteiligte sich Ford 1971 mit zwei Capris an der populären Tourenwagen-Europameisterschaft und einem weiteren Exemplar an der Deutschen Rundstrecken-Meisterschaft. Die Ergebnisse sprachen für sich: Auf der internationalen Bühne holte Dieter Glemser den Titel, im deutschen Wettbewerb fuhr Jochen Mass mit dem Maximalergebnis von acht Siegen in acht Läufen den Gesamtsieg ein. Auch 1972 dominierten die Kölschen Boliden fast überall nach Belieben und vergrößerten ihre Erfolgsbilanz um die Deutsche Automobil-Rennsportmeisterschaft (Stuck), die Europa-Tourenwagen-Meisterschaft (Mass), die Plätze eins und zwei beim 24-Stunden-Rennklassiker von Le Mans (F) und einen Dreifachsieg beim 24-Stunden-Rennen im belgischen Spa-Francorchamps.



Wortgewalt im Blätterwald - die schönsten Schlagzeilen zum Capri-Debüt

Die Überschriften von Zeitungsberichten reflektieren nicht nur das Echo, das die Kölsche Automobilikone in Medien und Öffentlichkeit erzeugte. Sie sind auch herzerfrischende Relikte einer kraftvollen, unbekümmerten Sprache, die wohl auch die Zuversicht und Aufbruchstimmung der späten Wirtschaftswunderzeit wiederspiegelt ...

Ein Hauch von Muskeln und Kraft ist dabei, schrieb 1969 beispielsweise die „Berliner Morgenpost“, während die „Badischen Neuesten Nachrichten“ einen Volltreffer ins Herz der Sportwagenfans vermeldete. Die „Bunte Illustrierte“ assoziierte mit dem Capri offensichtlich dessen Inspirationsquelle, den Ford Mustang, und glaubte einen gezähmten Präriehengst zu erkennen. Eine Metapher, die auch ins Bild der „BZ Berlin“ zu passen schien: Sie attestierte dem Kölner eine Große Schnauze und viel dahinter.

Natürlich blieben die V6-Versionen des Capri vor mehrdeutigen Anspielungen nicht verschont. Mit Sechsbombe begrüßte „auto motor und sport“ den 2300 GT, während der „Kölner Stadtanzeiger“ den Capri als Frauenversteher identifizierte und wohlwollend konstatierte: Beim Capri wurde an Damen gedacht. Auf ähnlicher Linie lagen die „Praline“, die einen großen Verführer aus Köln ausmachte, und „Die Welt“ mit der Headline Der Schönling aus Köln ist ein Treffer. Selbst „Die Bundeswehr“ leistete sich ein emotionales Sprachmanöver und kalauerte: Kölner Kassenhauer. In einem späteren Bericht über Verkaufserfolge des Ford Capri bediente sich „Die Welt“ aus dem Sprachschatz der Friseurinnung und schuf schon damals einen sprachlichen Gegenpol zum berüchtigten „Vokuhila“-Haarschnitt: Täglich kaufen 200 Deutsche „vorn lang, hinten kurz“.

Neben den Verführungskünsten des Capri wurden auch die sportlichen Talente des Capri gewürdigt. Mit Temperament und bullige Kraft überschrieb die „Cuxhavener Zeitung“ ihre Impressionen. Noch tiefer in die Metaphernkiste griffen die „Deutsche Auto Zeitung“ mit Heiße Waffe Capri und „Der Deutsche Arzt“, der einen Hecht aus der blauen Grotte kommen sah – Capri heil!

Nicht unbemerkt blieben zudem die Bemühungen der Capri-Schöpfer, auch auf der Vernunftskala möglichst hohe Ausschläge zu erzielen. Mit Ford Capri = sportlich und familiär machte die „Bergedorfer Zeitung“ eine mathematisch stimmige Gleichung auf, während die „Gießener Allgemeine“ das Wesen des Capri mit Echtes Coupé mit allen Vorteilen des Familienwagens zusammenfasste. Auch die „Offenbach-Post“ (Herr Jedermann sprintet mit der ganzen Familie) und der „Böblinger Bote“ (Sportlicher Pfiff, gepaart mit ausgewogener Bequemlichkeit) verpackten die Bandbreite der Capri-Qualitäten in griffige Schlagzeilen.

Unter schweren Wortbeschuss nahmen die Hüter redaktioneller Sprachgewalt ihre Leser vor allem dann, wenn es um die Ikone der Capri-Fans ging, den RS 2600. Die Granate titelte beispielsweise die „Bunte Illustrierte“, Obergeschoss die „Deutsche Autozeitung“, Image-Rakete vom Rhein der „Kölner Stadtanzeiger“ und Bodenrakete die „TZ München“. Ford Capri 2600 RS – der preiswerte Donnerbolzen hieß es bei „Hobby“ und Capri RS – die Explosionsmaschine beim „Wiener Kurier“. „auto, motor und sport“ ließ sich gar einen Superlativ mit Markenbindung einfallen: Fordissimo! Auch den Testosteronspiegel trieb der RS 2600 in mancher Redaktion in die Höhe. „Public Frankfurt“ begrüßte den Leser im „Club 200“ nur für harte Männer, während die „TZ München“ den RS als echte Männerfalle enttarnte, deren Kraft und Herrlichkeit („Sport Auto“) zupackende Fäuste braucht („Die Welt“).