27.03.2022 | Klassiker

Ford Capri II

Die zeitgemäße Fortsetzung der
Idee vom sportlichen Alltagscoupé

Mit dem jetzt vorgestellten Capri II demonstrieren Fords Konstrukteure, dass sich auch Bestseller noch verbessern lassen, verkündet Ford zum Start der zweiten Capri-Generation. Der Wagen sei die zeitgemäße Fortsetzung der Capri-Idee, ein Vernunftbeispiel in dieser sportlich-funktionalen Klasse … eleganter, sicherer, komfortabler und auch noch praktischer als sein erfolgreicher Vorgänger, von dem in fünf Jahren über eine Million Exemplare gebaut und in alle Welt verkauft wurden. In ihm verbinden sich bewährte, millionenfach ausgereifte Technik mit modernem, funktionellen Design … eine allererste Adresse für Verbraucher, die Vernunft, Sportlichkeit und Preiswürdigkeit unter einem Autohimmel vereint haben wollen – PR-Lyrik anno 1974, deren Bildgewalt mit der kraftvollen Formensprache des Protagonisten problemlos mithalten konnte.

Die politische Nachwirkung der
Ölkrise 1973 ließ sportliche Fahrzeuge
fast wie Verirrungen wirken.

Einen günstigen Zeitpunkt, potenzielle Käufer mit einem gezielten Herzschuss zu erlegen, hatte die Göttin der Jagd (Projektname: „Diana“) in Gestalt des Capri II im Februar 1974 weiß Gott nicht erwischt. Erst ein Jahr zuvor hatte die Ölkrise mit Sonntagsfahrverboten und Geschwindigkeitsbeschränkungen ein politisches Klima heraufbeschworen, das sportliche Fahrzeuge fast wie Verirrungen wirken ließ. Dass der Zweitauflage des Kölschen Flachmanns trotzdem die Herzen zuflogen, lag wohl auch daran, dass er Vernunftargumente lässiger zu bedienen wusste als sein Vorgänger.

Wie die eingangs zitierte Presseinformation beschrieb, hatte Ford eine Rezeptur, die schon der ersten Capri-Generation Ruhm, Ehre und Erfolg eingebracht hatte, konsequent  weitergedacht. Mit großflächigen, in die Karosserielinie einbezogenen Rechteckscheinwerfern, integrierten Blinkleuchten sowie glatten Oberflächen und einer geradlinig durchgezogenen Stoßstange vermittelte der Capri II mehr Sachlichkeit und Klarheit. Schlanke, weiter nach hinten  gezogene Seitenfenster streckten den Aufbau und ließen ihn graziler wirken, hübsche Details wie die kleine Erhebung auf der Motorhaube oder ein schwarzer Frontgrill garnierten das Gesamtkunstwerk mit sportlichen Akzenten.

Die modelltypische Sexyness blieb erhalten:
lange Motorhaube, niedrige Dach- und
Gürtellinien,knackig-kurzes Hinterteil. Passt!


Die Sexyness des Capri, seine Formensprache und Proportionen blieben vom Evolutionsschub unberührt: lange Schnauze, niedrige Dach- und Gürtellinien, knackig-kurzes Hinterteil, so geht Ford Caprifertig. Chefdesigner Uwe Bahnsen hatte ganze Arbeit geleistet, das Werk seines Vorgängers mit Know-how und Fingerspitzengefühl weiterentwickelt. Auch bei der Interieurgestaltung, für die Ford in England verantwortlich zeichnete, hatten Designer und Ergonomen Hand angelegt und Cockpit samt Armaturentafel optisch geglättet. Für mehr Komfort und Seitenhalt waren sportlich konturierte „Schalensitze“ – so nannte man die dezent skulpturierten Sesselchen damals tatsächlich – eingebaut worden.

Technisch hatte der Capri ebenfalls nachgelegt. Fahrern, die „nicht eigenhändig im vollsynchronisierten Getriebe herumrühren“ mochten, konnten diesen Job einem neuen, speziell auf „Wagen im Europaformat“ zugeschnittenen Automatikgetriebe überlassen. Der  Leichtbau-Selbstschalter zeichnete sich durch einen hervorragenden Wirkungsgrad aus und machte den Capri II um einiges temperamentvoller als das entsprechend bestückte Vorgängermodell, ohne deswegen mehr Benzin zu schlucken. Auch ins Fahrwerk waren die Erfahrungen aus der ersten Modellgeneration gewinnbringend eingeflossen: Eine spurverbreiterte Hinterachse sowie überarbeitete Feder- und Dämpferabstimmungen verbesserten gleichermaßen Straßenlage und Spaßfaktor. Bis zur 2,3-Liter-Version musste sich der Capri allerdings mit schmächtiger 165 SR 13-Besohlung begnügen; beim Dreiliter waren dann immerhin 185/70er-„Breitreifen“ aufgezogen.

Das Motorenprogramm der zweiten Capri-Generation entsprach weitgehend dem der ersten. Den Part des gemächlichen1,3-Liter-Einsteigers übernahm zunächst das aus dem Escort bekannte OHV-Triebwerk mit 55 PS, wurde aber kurz darauf gegen eine Normalbenzin konsumierende Version mit 54 PS ausgetauscht. Die nächsthöheren Stufen in der motorischen Hackordnung besetzten die bekannten 1,6-Liter-Allrounder mit 68, 72 und 88 PS, der 2600 GT hingegen wurde aus dem Programm genommen. Leistungshungrige wurden jetzt von zwei Sechszylindermodellen bedient: einer 108 PS starken 2,3-Liter-Version und dem Dreiliter-„Essex“-Motor mit 138 PS. Wer in diesem  Angebot nichts Passendes finde, so Ford, müsse „wahrhaftig ein schwieriger Kunde sein“.

Eine „von Gasdruck-Federbeinen gelupfte“
Heckklappe löschte das Wort „Gepäckproblem“
aus demVokabular des Capri-Fahrers.

Die Dramaturgie des Lastenhefts hatte dem Spender rheinischer Fahrfreunde aber auch eine Rolle als kompetenter Reisebegleiter und Alltagsheld zugedacht. Ergo verfeinerte eine schluckfreudigere Federung den Fahrkomfort, während größere Fensterflächen für mehr Übersichtlichkeit sorgten und eine ausgewachsene Heckklappe das frühere Kofferraumdeckelchen ablöste. Die zugehörigen Scharniere hatten die Ford-Ingenieure dabei so  clever versteckt, dass die fließende Linie der Karosserie keinen Schaden nahm. Was auf Autofahrer Anziehung ausübt, ist die dritte Tür im Heck, die – von Gasdruck-Federbeinen gelupft – eine respektable Ladeluke öffnet, durch die sperriges Gut Einlass findet, beschrieb Ford in blumigen Bildern den gestiegenen Nutzwert. Weil zudem die Rücksitzlehnen nach vorn umzuklappen sind, lässt sich das Wort „Gepäckproblem“ aus dem Vokabular von Capri-Fahrern streichen …

Wer angesichts dieser unwiderstehlichen Mischung aus Vernunft und Verführung immer noch unschlüssig den Geldbeutel knetete, erhielt womöglich den finalen Kauf-Kick, als der Capri ein fettes Sicherheitspaket noch obendrauf packte: Stahlgürtelreifen, Stabilisatoren, Scheibenbremsen, Bremskraftverstärker, heizbare Heckscheibe, elektrische Scheibenwascher, alles an Bord – ab Werk. Auch das Vertrauen der Kunden in Marke und Produkt wurde nachhaltig gestärkt, weil Ford als erster und bis dato einziger Autohersteller in Deutschland seine Neuwagengarantie auf ein Jahr oder 20.000 Kilometer verdoppelte.

1976 wurde die Capri II-Modellpalette grundlegend neu sortiert. Neben Modifikationen an Ausstattungen und verschiedenen Details im Innenraum ersetzte ein 2,0-Liter-V6-Motor mit 90 PS die 88 PS starke 1600er-Version – ein Volltreffer: Die fein abgeschmeckte Mischung aus Laufkultur, Temperament, moderatem Kraftstoffverbrauch und Zuverlässigkeit harmonierte nämlich prächtig mit dem Charakter des Kölschen Coupés.

Neu in der Flotte war der Capri S, ein
Leistungssportler „frei von schillernder Zierde“
und ausgestattet mit der „Vernunft eines Ford“.

Als Ersatz für die bisherige GT-Variante kam neu ins Spiel: der Capri S, laut Hersteller ein Leistungssportler mit der Vernunft eines Ford und frei von schillernder Zierde, der mit seinem Dreiliter-V6 doppeltso teure Sechszylinder-Coupés provoziert: Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 8,9 Sekunden, Spitze 198 km/h. Wobei die Werte selbst weniger beeindruckend sind als die Art, wie dieses großvolumige, aus dem Vollen schöpfende Triebwerk seine Leistung produziert. Das sportlich gestraffte S-Fahrwerk verfügte über entsprechend abgestimmte Gasdruckstoßdämpfer und Blattfedern an der Hinterachse sowie verstärkte Stabilisatoren. Neue Stylingelemente wie der markante Frontspoiler und ein Beifahrer-Außenspiegel rundeten das Erscheinungsbild des „S“ ab, der übrigens auch mit den kleineren, 90 und 108 PS starken V6-Motoren zu  haben war. Das Ergebnis jedenfalls brachte die Ford PR-Abteilung geradezu ins Schwärmen: Sportliche Mitgift, Attraktivität, Komfort, Nutzwert und Preis des Capri S addieren sich zu einer verbraucher- und marktgerechten Konzeption.

Und weil sich ein derartiger Auto-Charismatiker für Editionsreihen und Tuning geradezu aufdrängt, wurde von dieser Option auch reichlich Gebrauch gemacht. So legte Ford 1975 die limitierte, von Capri-Kennern kurz „JPS“ genannte Sonderserie „John Player Special“ auf, die im Stil der damaligen Lotus Formel-1-Boliden ganz in Schwarz und Gold gehalten war. Dass jeder Käufer außerdem ein nummeriertes Zertifikat erhielt, trug ebenfalls dazu bei, den „Dschey-Pi-Ess“ zum Sammlerobjekt zu machen.

Dem 265 PS starken Capri „Mako“ hatte Ford
das V8-Herz der legendären US-Konzerngefährten
GT-40 und Mustang „302 Boss“ eingepflanzt.

Mindestens zwei Gefräßigkeitsstufen über dem „JPS“ rangierte ein Capri namens „Mako“, benannt nach der gleichnamigen, für ihre Aggressivität bekannte Haigattung. Der ehemalige Ford-Motorsportingenieur Gerd Knözinger hatte zu diesem Zweck das 4,9-Liter-V8-Herz der legendären US-Konzerngefährten Ford GT-40 und Ford Mustang „302 Boss“ in den Capri umgesiedelt und so aus dem vergleichsweise bürgerlichen Familiencoupé einen rund 265 PS starken Räuber der Straße gemacht, der mit bis zu 240 km/h auf Beutezug ging und auf Sonderwunsch von der Bremsanlage  (samt Fuchs-Schmiedefelgen!) des Porsche 930 Turbo in Zaum gehalten wurde.

Neben unschlagbarem Understatement zählte der Preis zu den besonderen Reizen des Mako. Mit knapp 33.000 DM war er rund 20.000 Mark günstiger als Premiumboliden vom Schlage eines Porsche 928 oder Mercedes 450 SLC, denen er gleichwohl in Sachen Fahrleistungen auf Augenhöhe gegenübertrat. Kein Wunder, dass ihm die zutiefst beeindruckte Testerzunft mit Headlines wie „Donnerbolzen“ und „Auto für harte Männer“ huldigte.

Auch in den USA hatte sich der Capri souverän
behauptet, war zeitweise sogar das
zweitbeste Importmodell hinter dem VW Käfer.

Bei aller Glorie ist es allerdings auch für Helden der motorisierten Fortbewegung irgendwann einmal an der Zeit, die Garage für einen Nachfolger besenrein zu fegen. Beim Capri II war das 1976. In den englischen Werken Halewood und Dagenham wurde die Produktion eingestellt, nur noch in Köln und Saarlouis lief Mk2 vom Band. Auch dem US-Markt, wo er seit der ersten Modellgeneration ebenfalls heimisch war, sagte der Capri „bye bye“. Im Stammrevier seines amerikanischen Vetters Mustang, wo das Tempo limitiert ist, die Möglichkeiten jedoch unbegrenzt sein sollen, hatte er sich nicht nur souverän behauptet; er war dort zeitweise sogar zum zweitbesten Importmodell hinter dem VW Käfer avanciert.

Womit Generation II schwarz auf weiß belegte, den Erfolg des CapriI fortgesetzt zu haben: Immerhin hatte sie der ersten Verkaufsmillion des Vorgängers weitere 500.000 Einheiten hinzugefügt. Mehr als 1,5 Millionen Exemplare des schneidigen Alltagssportlers hatten damit zwischen 1969 und 1977 weltweit einen Liebhaber und sicher so manche Liebhaberin gefunden.

Aber auch diese stolze Bilanz sollte nur Zwischenetappe einer Erfolgsgeschichte sein, denn: Er „hatte noch nicht fertig“, der Capri.